Gettiers Problem: Eine Pragmatische Lösung Claudio F. Costa
|
I Nach der klassischen, standard oder tripartite Auffassung, ist propositionales Wissen als gerechtfertigte wahre Meinung angesehen. Dieser Einsicht wird üblicherweise in einer dreiteiligen Formel wiedergegeben, welche so (oder ähnliches) aussieht: Die Person a weiß, daß p º (i) p ist wahr, (ii) a glaubt, daß p wahr ist, (iii) a verfügt einer angemes- senen Rechtfertigung für seinem Glauben, daß p wahr ist. Damit a weiss, dass p wahr ist, ist es nötig, nicht nur dass p wahr ist und dass a daran glaubt, sondern dass a eine angemessene, d.h., eine als geeignete konzipierbaren Rechtfertigung oder Grund für die Wahrheit von p hat. Wenn W = Wissen, G = Glauben und R = Rechtfertigung, können wir es formal definieren: (i) (ii) (iii) (Df. Ws) aWp º p . aGp . aRGp Nach dieser Formel, die ich hier als die tripartite Wissensdefinition in ihrer standard Form bezeichnen werde, die Konjunktion der drei Bedingungen soll eine notwendig und hinrreichende Bedingung für die Wahrheit des Wissens bilden, daß a von p beansprucht. II Nun, es ist allgemein bekannt, dass Beispiele gefunden wurden, in denen diese drei Bedingungen erfühlt werden, ohne daß damit Wissen besteht. Solche Fälle bilden das sogenannte "Gettier's problem"(1). Ein Beispiel soll dieses Problem vergegenwartigen. Beispiel 1(2): Angenommen, Prof. Weiner ist heute abends an der Universität und erinnert sich, daß sein Freund Alfred ihm gestern informiert hat, er würde heute Abend ein Vortrag an der Universität halten. Aus dieser Grund schließt Weiner, daß er p weiß, nämlich: "Alfred ist jetzt in der Universität". Nun, wurde Weiner aber nicht informiert, daß in diesem Nachmitag Alfreds Sohn einen schwieriger Unfall erlitten hat. Unter diesen Umständen hat Alfred selbstverständlich entschieden, den Vortrag ausfallen zu lassen. Trotzdem, ist er jetzt zufälligerweise an der Universität, um seinen Sohn in die Krankenhaus der Universität zu besuchen. Mit diesem Beispiel scheinen die drei Bedingungen der klassischen Definition von Wissen erfühlt zu werden: p ist wahr, Weiner glaubt an der Wahrheit von p und er hat eine Rechtfertigung für diesen Glauben. Er weiß es trotzdem nicht, denn es ist nur aus bloßer Zufall, daß sein Glauben wahr ist. III Bei den meisten Lösungen von Gettiers Problem, wird entweder eine vierte Bedingung für die klassische Definition von Erkenntnis vorgeschlagen, oder wird ein ganz neuer Ansatz versucht. Es gibt jedoch eine konservative Lösungsmöglichkeit, die die klassische Definition bewahrt und Gettiers Problem als Ergebnis einer mangelden Verständnissen der Intuitionen eingeschlossen in dieser Definition versteht. Wegen ihrer Berücksichtigung kontextueller oder pragmatischer Elemente, werde ich sie die pragmatische oder kontextualistische Antwort nennen, obwohl beide wörter Missverständnisse stiften können; im Folgend wird diese Antwort entwickelt und ihre Relevanz verdeutlicht. Ein Vertreter der kontextualistischen Lösung würde bei dem Beispiel 1 wie folgt reagieren. Die in dem Beispiel gegebene Rechtfertigung ist ungeeignet, und zwar nicht, weil eine neue Bedingung zugesetzt werden muß, sondern weil eine implizite logische Verbindung zwischen den Bedingungen (i) und (iii) nicht erfült wurde. Wissen, wird er sagen, ist nur gerechtfertigte wahre Meinung, wenn die Rechtfertigung, die Jemand für seinen Wissensanspruch gibt, die Rechtfertigung, die die dritte Bedingung erfühlen soll, zu den Gründen gehört, die den beurteilenden Subjekt ("wir") als hinrreichend für die Wahrheit von p hält . Diese Bedingung werden wir als Bedingung der Adäquatheit der Rechtfertigung - die BAR-Klausel - nennen. In anderen Wörtern: eine adäquate epistemische Rechtfertigung muss für den beurteilenden Subjekt als etwas angesehen werden, dass dieselbe logische Kraft von einer Rechtfertigung haben, die die Wahrheit der Proposition garantiert. Eine Rechtfertigung, die diese Bedingung nicht erfühlt, wird nicht als epistemisch angemessen betrachtet(3). Verdeutlichen wir dies im Beispiel 1. Angenommen, dass ich den beurteilenden Subjekt bin. Ich bin in die Universität, ich kenne die ganze Situation, und ich treffe mein Freund professor Weiner. Ich frage ihm: "Weiss du, wo Alfred ist?". "Ja", antwortet er, "ich weiss; er ist hier, denn er sagte zu mir, er würde heute Abend einen Vortrag halten". Wenn ich das höre, es wird mir klar, dass er nicht weiss. Er weiss nicht, weil seine Rechtfertigung die Wahrheit der Proposition "Alfred ist heute Abend an der Universität nicht rechtfertigt, da sie die Bedingung der epistemische Adäquatheit nicht erfühlt. Anders würde geschehen, wenn die Rechtfertigung wäre z.B. "Er ist an der Universität, weil ich ihn gerade sah", oder "Er ist an der Universität, weil er mir am Telephon sagte, er würde unbedingt zur Krankenhaus kommen, um seinen Sohn zu besuchen", usw. Diese Rechtfertigungen wären angemessen, da sie p für mich zugleich wahr machen würden. IV Man kann sich nun fragen, was uns berechtigt zu glauben, daß das alles in der klassischen Auffassung schon implizit enthalten ist, daß die standard Formulierung unhinrreichend ist, um alles wesentlich zu widerspiegeln. Die antwort bedarf, daß wir die Bedingungen (i) und (iii) in einzelnen betrachten. Betrachten wir die Bedingung (i): p muß wahr sein. Man kann sich fragen, ob es sich um die Wahrheit von p für den beurteilender Subjekt handelt, ob es sich um die Wahrheit von p für a, oder, ganz unabhängig davon, ob es sich nicht eigentlich um einer Wahrheitswert handelt, der frei von irgendwelchem fehlbaren Beurteiler gilt (ausgenommen, also, von Gott: dem unfehlbaren Beurteiler), d.h. die absolute, für ewig geltende Wahrheit von p. Wenn man die Bedingung (i) ohne weiteres liest, hat man die Neigung zu glauben, daß diese letzte Annahme die richtige ist. In der Tat, nur die erste Annahme ist die richtige. Ein Beispiel (unter vielen anderen) wird es zeigen. Beispiel 2: Angenommen, daß Alfred uns p sagt: "Der selbsterhaltende Flug wurde zum ersten Mal von den Brüdern Wright im Jahr 1902 geschaft"; als Beweis dafür erwähnt Alfred die Photos, die von dem Geschehen gemacht wurden. Wir gestehen, daß Alfred weiß, daß p, denn p ist wahr und die anderen Bedingungen, auch die der Rechtfertigung, sind erfüllt. Angenommen, jedoch, daß eine ganz merkwürdige historische Entdeckung gemacht wird, welche auf eine konklusive Weise beweist, daß die Brüder Wright das Flugzeuge in Wirklichkeit nicht erfunden haben, daß die ganze Geschichte aus irgendwelche Gründen fabriziert wurde, daß die Photos in Wirklichkeit viel später aufgenommen wurden, usw. In diesem Fall, wenn Alfred zu uns (die beurteilende Subjekte) kommt und p äußert, wird die erste Bedingung fällig: wir haben schon geschlossen, daß p falsch ist, was heißt, daß das Wissen, daß Alfred von p beansprucht, nur angeblich ist. Aus diesem Beispiel schließen wir zuerst, daß die Wahrheit von p nicht absolut ist, denn es kann sich, je nach den Beurteilern, die als Referenz genommen werden, ändern. Zweitens: die Wahrheit von p ist nicht das für wahr gehaltene, das a von p hat; wäre es so, würde es sich auch nicht ändern, denn Alfred glaubt, nach wie vor, daß p wahr ist. Die Wahrheit von p ist selbstverständlich das, was von dem beurteilenden Subjekt ("wir") gegenwärtig als solche betrachtet wird. Die Bedingung "p ist wahr" heißt, daß wir p für wahr halten, und daß wir es in der Gegenwart für wahr halten, nämlich, insofern das Gegenteil noch nicht bewiesen wurde. Nun, was heißt zu sagen, daß die Bedingung der Wahrheit von p ist die Bedingung der Wahrheit von p für den beurteilenden Subjekt und in der Gegenwart? 'In der Gegenwart' heißt in der Zeit der Beurteilung. Es handelt sich um die von dem beurteilenden Subjekt(e) gegenwartig akzeptierte Rechtfertigungen der Wahrheit von p. So, wenn wir eingestehen, daß es wahr ist, daß die Brudern Wright in 1902 zum ersten Mal einen selbsterhaltenden Flug gemacht haben, machen wir es aufgrund der Erfühlung von gewissen Wahrheitsbedingungen, wie die bekannten Photos, und wir können zusätzlich sagen, daß dies die Wahrheit des Satzes rechtfertigt. Wenn wir aber entdecken, daß diese Rechtfertigung aufgrund neuer Evidenzen ungeeignet gemacht wurde, halten wir p nicht mehr für wahr. Den beurteilenden Subjekt ist zuerst und normalerweise den "Sprecher", der den Wissensansprüch, daß a von p hat, beurteilen soll. Normalerweise wird hier das Wort "wir" benutzt, da der Sprecher seine Beurteilung ausspricht nur insofern er es für selbstverständlich hält, daß jeder andere Beurteiler im Besitzt von derselben Evidenz zum identischen Urteil über den Wissensanspruch von a kommen würde. Der Sprecher hält sich also für den Bestandteil einer Gemeinschaft von vernünftigen Beurteilern, eine Wissensgemeinschaft welche, falls sich von derselben Körper von Evidenzen vergewissen würden, mit Ihm vermeintlicherweise einverstanden würde und häufig in der Tat einverstanden ist. (Die heutige Wissensgemeinschaft wäre vermeintlich mit mir einverstanden, daß die Photos des Flugs von 1902 die Tat der Brüder Wright mindestens zum Teil beweisen, was p wahr macht.) Wir können nun eine bessere logische Formulierung der traditionellen Wissensauffassung aufbauen. Zuerst, aWp, das Definiendum, muss als aWp "für den beurteilender Subjekt in die Zeit seiner Wissensbeurteilung" verstanden wird. Damit fuhren wir s ein, als Bezeichnung für den beurteilender Subjekt, der den Urteil über das Wissen bzw. Nichtwisen von a auspricht. Wie wir schon sahen, der beurteilender Subjekt braucht nicht ein einziger Mensch sein: er kann mehrere Menschen oder eine Wissensgemeinschaft sein, die den Wissensanspruch von a beurteilt. Das Definiendum der traditionellen Wissensaufassung, statt durch den unbestimmten aWp, darf somit als sW(aWp) konzipiert werden, wonach die Beurteilung des Wissens von a zu dem Wissen von s relativiert wird. Nun können wir auch die erste Bedingung - "p ist wahr" oder "p", so formalisieren, daß die vorigen Voraussetzungen auch hier hinrreichend explizit werden. Zunächst, nennen wir s der beurteilender Subjekt, nämlich, der Sprecher, das entscheidet, ob a weisst oder nicht weisst, was er beansprucht zu wissen. Als er dieser Äusserung (bzw. Urteil) über as Wissensanspruch macht, ist ihm zugänglich was ich R* nennen möchte: ein Korpus von Rechtfertigungen oder Gründe für die Wahrheit oder Falsheit von p. R* ist verstanden als eine Klasse von Rechtfertigungen, in welcher jedes Glied für sich allein als hinrreichend angesehen wird, um die Wahrheit bzw. die Falsheit von p zu begrunden. Selbstverständlich, R* kann nicht Glieder haben, die die Wahrheit von p rechtfertigen, und zugleich anderen Gliedern haben, die die Falsheit von p rechtfertigen, denn das wäre inkoherent: entweder jedes Glieder is hinrreichend für die Wahrheit von p oder hinrreichend für die Falschheit von p. So, wenn R* hat für s ein oder mehr Gliedern, dann wird er p als wahr oder falsh betrachten. Wenn aber R* für s eine leere Klasse ist, das bedeutet, dass s keine Idea über den Wahrheitswert von p hat. Wir könnten also die Formulierung sR*Gp bilden, um zu sagen, dass dem Beurteilender Subjekt glaubt zu einer Korpus von Rechtfertigungen R* zugang zu haben. Damit könnten wir jedoch nicht sagen, dass er p als wahr bzw. falsch betrachtet, denn wir wissen nicht ob R* p impliziert. Nun, eine geeignet und genug durchsichtige Formulierung für die Bedingung (i), der Wahrheit von p, kann durch die Formel "sWR* & sW(R* ® p)" aufgestellt werden, oder, was dasselbe ist, als: (i) sW(R* & (R* ® p)) Der erste Glied dieser Konjunktion besagt, dass s kognitiver Zugang zu einem Korper von Rechtfertigungen R* für die Wahrheit oder Falsheit von p hat; der zweiten Glied der Konjunktion besagt, dass R* so gebildet ist, dass R* die Wahrheit von p impliziert. Wenn diese beide Bedingungen erfühlt sind, dann muss p von s unmittelbar als wahr betrachtet werden, da wenn die beide Gliedern der Konjunktion wahr sind, die Wahrheit von p lässt sich durch modus ponens schliessen. Wäre aber R* leer oder mit Rechtfertigungen für die Falsheit von p erfühlt, würde sW(R*) p nicht implizieren, und, da der zweiten Glied der Konjunktion falsch wäre, könnte die Wahrheit von p nicht mehr geschlossen werden. Mit der Formel sW(R* & (R* ® p)) kann also eine analytische Widergabe der Bedingung "p" aufgestellt werden, die eine wesentlich pragmatische Voraussetzungen unseres intuitiven Verständnis dieser Bedingung der traditionellen Wissensdefinition auf eine hinreichend weise expliziert - Voraussetzungen die, wie wir sehen werden, in Gettier's Einwand vollig übersehen werden. Kommen wir nun zur dritten Bedingung. Wie wir schon mit der BAR-Klausel betonnt haben, die von der Person a gegebene Rechtfertigung für seinen Glauben an die Wahrheit von p muß zu dem zählen, was für uns zu den hinreichenden Gründen für die Wahrheit von p gehört. Die in der dritten Bedingung gegebene Rechtfertigung, muß zu den Rechtfertigungen gehören, die die erste Bedingung erfüllen können. Es ist gerade die Tatsache, daß diese Bedingung in Gettiers Beispielen unerfüllt bleibt, die in uns das Gefühl veruchsacht, daß etwas mit den in den Beispielen gegebenen Glaubensrechtfertigungen nicht stimmt. Wir fühlen, daß diese Rechtfertigungen nicht geeignet sind. Und sie sind es tatsächlich nicht, weil sie zu den von uns zugelassenen Gründen für die Wahrheit von p nicht gehören. Wir können auch die dritte Bedingung, aRGp, formal auf eine Weise explizit machen, daß sie die BAR-Klausel einschliesst, so dass ihre logische Verbindung mit der ersten Bedingung ganz durchsichtig wird. Wir können nun diese Klausel wie folgt aufstellen: BAR-Klausel: Der beurteilender Subjekt s lässt zu, dass
a weiß, Dafür müssen wir nur die Forderung erstellen, daß die Rechtfertigung R von a zu dem Korpus von Rechtfertigungen R* gehören muß, was als R Î R* geschrieben werden kann. Mit der Einschliessung aller Voraussetzungen die dritte Bedingung kann somit als "sW(aRGp) & sW(R Î R*)", oder als (iii) sW(aRGp & (R Î R*)) geschrieben werden. Obwohl diese Umformulierung noch die dritte Bedingung, aRGp beinhaltet, sie besagt mehr als das. Sie ist nur wahr, wenn a eine Rechtfertigung für die Wahrheit von p hat und wenn, nach den Ansicht des beurteilenden Subjekts s, R Î R*. Damit können wir endlich zu einer Equivalenz gelingen, die unsere konkrete Intuitionen über die Beurteilung von Wissensanspruchen auf eine formale Weise hinreichend widergibt. Sie kann wie folgt formuliert werden: (Eq.W) sW(Wap) º sW(R* & (R* ® p) & sW(aGp) & sW(aRGp & sW(R Î R*). Dieser Equivalenz enthält die tripartite Wissensdefinition in ihrer kontextualizierte Form, welche eine besser explizierte Formulierung der klassischen Wissensauffassung, zusammen mit ihrer voraussetzungen, leistet - eine Formulierung, die die logische Beziehung zwischen (i) und (iii), nämlich, dass R Î R*, vollig einsichtig macht. Die Equivalenz W bringt zur Oberfläche, was die alte logische Formalisierung der Definition versteckt hat und somit - wie wir sehen werden - Missverständnisse gestiften hat. Die Equivalenz W ist ungeeignet als Definition, da sie eine Redundanz enthält, da sW sowohl im Definiens als in dem Definiendum vorkommt. Wir müssen also den Leiter aufzuwerfen, nachdem wir auf ihn geklimmert haben, und wir tun es, indem wir sW wieder implizit machen. Das Ergebnis ist, was ich für eine viel volständigere Formulierung des klassischen Einsichts von Wissen als gerechtfertige wahre Meinung: (Df. Wa) aWp º (R* & ( R* ® p) & aGp & (aRGp & (R Î R )) Diese ist was ich als eine analytisch ausgearbeitete Formulierung der tripartite Definition des Wissens nenne. Diese Formulierung kann still formal modifiziert werden wenn wir ihre überflüssige Klammerungen herausnehmen: (Df. Wa‘) (aWp) º R* & ( R* ® p) & aGp & aRGp & (R Î R*) Dies macht deutlich, dass auf die Ebene unserer epistemischen Logik, die Zahl von Bedingungen nicht drei, sondern fünf ist. Es scheint, es ist auf die Perspektive unserer kognitiven Fähigkeiten, die den Zahl von Bedingungen drei ist, was die Formulierung Df. Wa für uns einsichtiger macht. Diese neue formalisierte Formulierung der traditionellen Wissensauffassung löst Gettiers Problem. Das beginnt deutlich zu werden wenn wir das Beispiel 1 nochmals betrachten. p ist wahr: Weiners Freund ist doch an der Universität. Aber die von mir, dem beurteilendem Subjekt gewußte Rechtfertigung für die Wahrheit von p ist einfach, daß ich Alfred zur Krankenhaus der Universität mit meinem Wagen geführt habe, damit er seinem verunglückten Sohn besuchen könnte (R1) (R* = {R1}). Die von Weiner gehaltene Rechtfertigung R, nämlich, daß Alfred an der Universität sein muß, weil er ihn gestern über seinen heutigen Vortrag informiert hat, wird von mir als Glied meines Korpus von Rechtfertigungen R* nicht akzeptiert, denn es ist nicht Kompatibel mit meinen anderen Glauben, insbesonders mit meiner Rechtfertigung R für die Wahrheit von p. Aus dieser Grund, nämlich, aus dem Mangel einer notwendigen Verbindung zwischen der Bedingung (iii) und (i), beurteile ich Weiners Wissensanspruch von p als ein Fall von Nichtwissen, denn R gehört hier nicht zur R*, was die dritte Bedingung falsch macht. Betrachten wir nun ein anderes Beispiel. Suzy geht zur Mittagessen am Marienplatz in München und sie gückt ihr Uhr: es sind 11 Uhr Morgens. Sie glaubt daran, denn sie die Uhren von den Kirchen am Platz schaut und merkt, es ist tatsächlich 11 Uhr. Aber dann sie erinnert, dass ihr Uhr seit ein paar Tagen nicht ganz richtig funktioniert. Sie guck es noch einmal und merkt, der Anzeiger bewegt sich nicht, der Uhr ist seit lange gestopt.. Sie schliesst, das Uhr die richtige Zeit nur aus Zufall gezeigt hat; als Sie zur ersten Mal den Uhr geschaut hat, hat sie nicht gewusst, wie spät es ist, auch wenn es war ist, sie daran geglaubt hat und die Rechtfertigung prima facie akzeptabel war. So interpretiert, handelt es sich um ein typisches Gettiers Beispiel. Nun, was von diesem Beispiel eigentumlich ist, ist dass dieselbe Person, die in einem ersten Moment die Person ist, die ein Erkenntnisanspruch erhebt, in einem zweiten Moment die Person ist, die der erkenntnisbeurteilenden Subjekt ist. Im zweiten Moment die Person lehnt die Lektur des Uhranzeigers als Teil der Grunden ab, die die Markierung der Zeit durch den Uhr rechtfertigt, da das Uhranzeig von Sekunden sich nicht bewegt. Als Grund für die richtige Bestimmung der Zeit bleiben noch die Anzeigen der Uhr der Kirchen und der Rathaus. Fällen, bei welchen a = s sind gar nicht so seltem. Sie geschehen z.B. immer, wenn Jemand sein vergangenes Erkenntnisansprüche selbstbewertet. wir können anstelle von a in der Definition s' setzen, dass sW(s'Wp). Es gibt noch einen Einwand gegen die Anwendung der neuen Formulierung der tripartiten Definition auf Gettiers Beispielen, die ich hier behandeln will. Die erste lautet wie folgt: was als geeignete Rechtfertigung für die Wahrheit von p gelten kann, kann varieren, und kann sowieso in einem unbestimmten Anzahl sein; R* besteht nur um dem Anzahl von Rechtfertigungen, die s weiss; nun, die Rechtfertigung, die a gibt, kann eine sein, worüber s noch nicht gedacht hat. Z.B.: R = "Weiner sagt zu mir, dass Alfred an der Universität ist, weil er ihm gerade gesehen hat"; aber diese Rechtfertigung gehört nicht zu meinem Korpus von Rechtfertigungen R*! Dieser Einwand beruht auf einen Missverständnis. Wenn wir von R* sprechen, meinen wir nicht den Korpus der Rechtfertigungen, das s vor der Aufnahme der von a gegebene Rechtfertigungen gebildet hat, sondern den Korpus, dass er nach dieser Aufnahme - d.h. in die Zeit seiner Beurteilung - bildet; und dieses R* würde dann die von a gegebene Rechtfertigung von p selbstverständlich schon enthalten, sogar wenn sie neu ist, sofern s bereit ist, sie als hinrreichend für die Bestimmung der Wahrheit von p aufzunehmen. Z.B.: wenn ich weiss, dass Alfred an der Universität ist, weil er zu mir sagte, er musste seinen Sohn in die Krankenhaus sehen usw., und ich treffe Weiner und er sagte zu mir, er weiss, dass Alfred an der Universität ist, weil er ihm gerade gesehen habe, werde ich diese Rechtfertigung unter normalen Umständen als eine Erweiterung von meinem R* akzeptieren und somit als eine angemessene Rechtfertigung für seinen Wissensanspruch. Diese Bereitschaft die neue Rechtfertigungen aufzunehmen und als Bestandteil von R* zu erfassen besteht selbstverständlich nur in einigen Fällen. Wenn die Rechtfertigung nicht nur noch nicht bekannt ist, sondern auch mit unseren anderen Gläubnissen nicht kompatibel ist, wird sie freilich abgelehnt. Die vorgeschlagene Analyse kann auf allen Beispielen von Gettiers Art verwendet werden, sofern wir den Kontext der Beurteilung und die Rolle von s hinrreichend berücksichtigen. V Die vorige Definition wirft Licht auf Schwierigkeiten, die bei anderen Lösungsversuchen von Gettiers Problem entstehen. ich werde mich auf die wichtgste unter den anderen Lösungsversuchen konzentrieren, nämlich, den Versuch Gettiers Problem bei dem Zusatz einer vierten Bedingung zu lösen: die Bedingung, dass die von a gegebene Rechtfertigung letzlich nicht widerlegt ist (condition of ultimately undefeated justification). So, z.B., Weiner weiss nicht, dass Alfred an der Uni ist, da seiner Rechtfertigung, "Er ist an der Universität weil er mir Gestern gesagt hat, er würde ein Vortrag heute abend halten" durch den Zusatz der Information über den Unfall einfach widerlegt wurde. Wissen ist, nach dieser Auffassung, nicht nur gerechtfertigte wahre Meinung, sondern unwiderlegt gerechtfertigte wahre Meinung(3) Das grosste Problem bei dieser Auffassung von Erkenntnis entsteht, wenn wir überlegen, daß Widerlegungen immer widerlegt werden können und so ad indefinitum. Zum Beispiel: Obwohl den Unfall sehr schwehr war (der Wagen war vernichtet), in der Krankenhaus wurde aber deutlich festgestellt, dass die Verletzungen von Alfreds Sohn unbedeutend waren, so daß Alfred wieder entschieden hat, seinen Vortrag zu halten... Die Rechtfertigung, dass er kam, weil er sagte, er würde einen Vortrag halten, gewinnt damit wieder ihre Kraft. Wenn also eine Rechtfertigung widerlegt wird, können immer anderen Evidenzen geben, die diese Widerlegungen aufheben, aber diesen können widerum widerlegt werden, und so ohne Ende. Aus diesem Grund wurde für die Versicherung der Unwiderlegbarkeit von p verlangt, daß in dem Wissen von p eigentlich alle mögliche Evidenzen für und gegen p berücksichtigt werden müssen, auch diejenige, die nur im Zukunft entdeckt werden... Das ist jedoch ein unsinniges Verlangen, die unsere übliche Auffassung von Erkenntnis vollig widerspricht. Wenn diese Bedingung akzeptiert wird, das Ergebnis ist, dass wir nie etwas wissen können, da die Allwissenheit uns vollständig fehlt. Aber diese Bedingung muss akzeptiert werden, falls wir diese Lösungsvorschlag (oder andere änlichen) akzeptieren wollen, was letztendlich zur epistemischen skeptizismus führen kann. Die vorgeschlagene kontextualistische Wissensdefinition braucht dieses Problem gar nicht zu fassen, weil sie die aktualistische Natur des Erkenntnisses berücksichtigt. Bei ihr sind die Evidenzen, die gewußt werden müssen, nur diejenigen, die der beurteilender Subjekt (der Sprecher und womöglich eine von ihm representierte Wissensgemeinschaft) gegenwärtig weiss; damit hat s, der als Referenz genommenen Beurteiler des Wissensanspruchs von a schon genug um zu entscheiden, ob die von a gegebene Rechtfertigung geeignet ist. Die Bedingung der Unwiderlegbarkeit der Evidenz kann also in der kontextualistischen Wissensdefinition zusätzlich eingeschlossen werden, ohne dass damit ein Kenntnis von allen Evidenzen mit eingenommen wird. Wenn wir die BAR-Klausel betrachten, können wir Bedingungen einstellen, die R erfühlen muss, damit s ihn als Bestandteil von R* einschliesst. Eine Bedingung ist dieser: s muss kein Evidenz kennen, die R widerlegt. Tatsächlich, wäre für s R widerlegt, würde s sie nicht als Bestandteil von R* erkennen können. Wichtig ist aber zu merken, dass diese Bedingung der Unwiderlegbarkeit auf die von s bekannte Evidenzen gilt, und nicht auf die Totalität der Evidenzen. Die Einführung der Bedingung der Unwiderlegbarkeit von R unter der Betrachtung aller Evidenzen, die s besitz, als eine Unterbedingung damit sW(J Î J*), ist somit einleuchtender als die Bedingung der Unwidegbarkeit der Glauben. Wenn es so ist, scheint es, dass die so aufgefasste Bedingung der Unwiederlegbarkeit als Teil der neuen Definition explizit gemacht werden muss. Ich glaube aber, das für diese Rolle wäre diese Forderung unangemessen. In einer Definition brauchen die Elementen des Definiens nicht weiter analysiert werden, ausser wenn diese Analyse Erklärt die logische Beziehungen, die unter denen besteht. Nach dieser Denkweise, die Analyse der Bedingungen (i) und (iii) in Df. Wa ist nötig. Nach derselben Denkweise aber, die Entwicklung einer Wahrheitstheorie als weitere Bestandteil der Analyse der Bedingung (i), die Entwicklung einer Theorie des Glaubens, als Bestandteil der Analyse der Bedingung (ii) und die Entwicklung einer Theorie der epistemischen Rechtfertigung als Bestandteil der Analyse der Bedingung (iii) wären wollig überflüsig, denn sie würden für die Definition nicht beitragen. Somit schlage ich vor, dass die Einführung einer Bedingung der Unwiderlegbarkeit passt mehr zu einer analyse der Natur der epistemischen Rechtfertigung als zur allgemeinen Definition von propositionales Wissens. Irrgeführt bei der Mangel an dieser Überlegung könnte man schliesslich einwenden, daß Df. Wa eine zu unscharfe Definition ist, indem die Arten von Rechtfertigungsfehlern nicht eingehend untersucht werden. Dieser Einwand entsteht jedoch aus der Vermixung des Problems der epistemischen Rechtfertigung mit dem Problem des Wissensdefinition, das die allgemeine Beziehungen zwischen gegebene und akzeptierte Rechtfertigungen von Meinungen aufklären soll. Die Lösung des ersten Problems liegt in die Aufgabe einer Theorie der epistemischer Rechtfertigung, und bei dem liegt die wahre Leistung einiger angeblichen Antworten von Gettiers Problem. Die Lösung des zweiten Problems ist die Aufgabe der Definition des Wissens. Darüberhinaus, wenn die Definition trotzdem unscharf erscheint, ist es nur, weil sie einfach die inner Vagheit unseres Wissensbegriffes wiederspiegelt. |
Bemerkungen (1) E. L. Gettier: "Is justified belief Knowledge?", Analysis 23 (1963). (2) Dieses Beispiel adaptiere ich aus D. J. O'Connor & B. Carr, Introduction to the Theory of Knowledge (Portsmouth 1982), p. 80. Die hier entwickelte Einsicht war für mich selbstverständlich, seitdem ich Gettiers Problem von ersten Mal gelesen habe. Es schien mir irgendwie selbstverständlich und merkwürdig, wenn das noch nicht in der Literatur vorgeschlagen wäre. Bei dem Nachschlag der Literatur habe ich tatsächlich dieselbe Einsicht bei anderen Authoren gefunden (insbesonders bei Robert Almeder in "Truth and Evidence", Philosophical Quarterly, 34, 1974, S. 365-468 und in anderen Aufätze). Mein Absicht mit diesem Aufsatz ist dieser Einsicht auf eine hinrreichend detallierte Weise zu entwickeln, mit Berücksichtigung auf den Kontext der Beurteilung von Erkenntnisansprüche, was in diesen frühen Versuchen ist noch Abwesend. (3) Dies antwort dem Einwand, dass eine Rechtfertigung braucht nicht ihr Schluss material implizieren. Freilich ja, aber nicht in dem zeitlichen Kontext der Beurteilung von Erkentnisansprüche von einem beurteilenden Subjekt: unter der Voraussetzung der Gesamtheit seiner Glauben wird er die epistemische Rechtfertigung nur als Implikation zulassen! (Mehr darüber später.) (4) Siehe K. Lehrer & T. Paxson: Knowledge: Undefeated Justified True Belief, in: The Journal of Philosophy 66 (1969), S. 225-237. Für eine "aktuelle" Darstellung ähnlichen Ideen, vgl. P. K. Moser: Knowledge and Evidence, Cambridge 1989, S. 242-255. |